Unsere Auftaktveranstaltung: Gemeinsam lernen macht schlau!

Bekannte Expert*innen aus ganz Deutschland diskutierten am Mittwoch, 5. September 2018,  in der PRIMUS Schule Münster zum Thema „Eine Schule für alle – wie Inklusion funktioniert und alle einen Mehrwert davon haben“.

 

Knapp 150 Teilnehmer*innen folgten der von Holger Beller (WDR) moderierten Debatte darüber, auf welchem Stand sich Deutschland in puncto Inklusion in Schulen derzeit befindet. Zur Begrüßung äußerte der Schulleiter der PRIMUS-Schule Dr. Reinhard Stähling, der gemeinsam mit dem neu gegründeten Verein MÜNSTER INKLUSIV DENKEN zur Veranstaltung geladen hatte, seine große Zuversicht, dass sich Inklusion überall durchsetzen werde.

 

Volles Haus bei der Auftaktveranstaltung des Vereins „Münster Inklusiv Denken“ in der Aula der PRIMUS Schule Münster. Foto der fast vollbesetzten Aula der Primus Schule.
Volles Haus bei der Auftaktveranstaltung des Vereins MÜNSTER INKLUSIV DENKEN in der Aula der PRIMUS Schule Münster.

Der Zeitpunkt für die Veranstaltung hätte nicht besser gewählt sein können. Zwei Tage nach der Vorstellung der Bertelsmann Studie „Inklusion in Deutschland“, zog Prof. Dr. Hans Wocken, Mitglied der deutschen UNESCO-Kommission „Inklusion“, in seinem Impulsvortrag das Fazit, dass fast genauso viele Kinder weiterhin Förderschulen besuchen wie zuvor und in vielen Regionen Deutschlands nur äußerst geringe Fortschritte zu beobachten seien.

Christoph Strässer, ehem. Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, betonte in der anschließenden Diskussion, dass die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ein Menschenrecht ist, und damit jedes Kind ein Recht auf gemeinsames Lernen hat, das nicht verwehrt werden darf. Ein Recht der Eltern auf Wahl der Schule existiert hingegen nicht. Weiter sprach er den Wunsch aus, in fünf Jahren mit gutem Gewissen zurückblicken zu können, um – in Anspielung auf ein berühmtes Zitat – sagen zu können: „Wir haben das geschafft“.

Bis dahin, dafür plädierte Prof. Dr. Christian Fischer, Leiter des Internationalen Centrums für Begabungsforschung an der Universität Münster, solle ein Umdenken weg von einer Sortierung von Schüler*innen anhand von defizitären Kriterien hin zu einer Konzentration auf eine Förderung der jeweils individuellen Begabungen stattfinden. Die praktische Arbeit im Rahmen der Begabungsforschung zeige, dass Konzepte zur Förderung besonderer Potentiale mit großem Erfolg bei Kindern mit Förderbedarf und bei „durchschnittlich“ begabten Kindern anwendbar seien. 

 

Zu sehen die Expertenrunde, anwesend sind: Prof. Dr. Hans Wocken, Lothar Sack, Holger Beller, Stefan Schemann, Prof. Dr. Christian Fischer, Christoph Strässer, Betül Karaboga
Hochkarätiges Podium bei der Auftaktveranstaltung des Vereins MÜNSTER INKLUSIV DENKEN: Von links: Prof. Dr. Hans Wocken, Lothar Sack, Holger Beller, Stefan Schemann, Prof. Dr. Christian Fischer, Christoph Strässer, Betül Karaboga

 

Längeres Gemeinsames Lernen bringt allen Kindern Vorteile

 

Dass das längere Gemeinsame Lernen in Schulen allen Kindern Vorteile bringt unterstrich auch Lothar Sack, langjähriger Leiter der ältesten öffentlichen Gesamtschule, in der Kinder vom ersten bis zum 13. Jahrgang unterrichtet werden. Er zitierte dazu eine Studie aus dem Jahr 2016 der Hamburger Bildungsforscher Johannes Bastian und Ulrich Vieluf. Diese Studie belegt, dass im längeren Gemeinsamen Lernen ohne jede äußere Differenzierung alle Kinder, auch die aus bildungsnahen Haushalten, mindestens den gleichen, meist sogar einen größeren Lernzuwachs haben als in Schulen des gegliederten Schulsystems. Durch die Studie konnte ebenfalls nachgewiesen werden, dass die notorisch enge Bindung von Lernerfolg und sozialer Herkunft durch das längere Gemeinsame Lernen entkoppelt werden kann. 

Die Erfahrung zeigt, dass sich zunehmend Eltern auch aus bildungsnahen Haushalten für das Konzept des längeren Gemeinsamen Lernens interessieren, jedoch zurückschrecken, wenn kein Abitur in der Schule erworben werden kann, so Stefan Schemann, Mitglied in der Initiative „Eine Oberstufe für die PRIMUS-Schule.

Die PRIMUS Schule Münster – ehemals Grundschule Berg Fidel – entwickelt sich gerade zu einer Schule des längeren Gemeinsamen Lernens. Der PRIMUS Schulversuch ist bisher allerdings bis zur zehnten Klasse beschränkt. Damit die Schule jedoch tatsächlich eine Schule für alle werden kann, also auch für Schüler*innen, die ein Abitur anstreben, engagiert sich derzeit die Elternschaft der PRIMUS Schule für die Einrichtung einer Oberstufe. 

Erfahrungsberichte und Beispiele wurden von Eltern eingebracht, deren Kinder inklusive Schulen besuchen, darunter auch von Birgit Leonhard, bekannt aus dem Film „Berg Fidel. Eine Schule für alle“. Doch auch Eltern von Kindern ohne speziellen Förderbedarf und Lehrer*innen unterstrichen, wie vorteilhaft es für alle Kinder ist, in einem gelebten Wertesystem der Vielfalt und Toleranz in die Schule zu gehen. Inklusion schließt alle ein und bedingt so Kommunikation und Austausch über Anderes und Fremdes, wodurch Ängste abgebaut werden können bzw. gar nicht erst aufgebaut werden. Das sei auch der Schlüssel, um der anlässlich der Ereignisse von Chemnitz zu beobachtenden Spaltung der Gesellschaft entgegen zu wirken, so Betül Karaboga, Lehrerin für islamische Religion an der PRIMUS Schule.

 

MÜNSTER INKLUSIV DENKEN – umdenken, aktiv werden und Inklusion leben

 

Dieses Umdenken anzuregen und zu erreichen, dass alle Münsteraner*innen in den eigenen Netzwerken aktiv werden und Inklusion leben, ist, was sich der neu gegründete Verein MÜNSTER INKLUSIV DENKEN auf die Fahnen geschrieben hat: „Inklusion beschränkt sich nicht auf Schule“, so Britta Möwes, Gründerin des Vereins, „wir werden weitere Veranstaltungen zur Bewusstseinsbildung für Inklusion in der Arbeitswelt, in der Freizeit und in anderen Bereichen des Zusammenlebens anbieten, damit eine friedliche und tolerante Gemeinschaft, die alle mit einschließt, irgendwann zur Selbstverständlichkeit geworden ist.“ Dass die erste Veranstaltung Inklusion in der Schule zum Schwerpunkt hat, komme aber nicht von ungefähr. Die PRIMUS-Schule Münster sei ein gutes Beispiel, wie man erfolgreich gemeinsam lernen könne. „Es ist eine wichtige Investition in die Zukunft, wenn wir Inklusion in allen Schulen umsetzen. Nur wenn wir unsere Kinder nicht mehr trennen, kann unsere Gesellschaft zusammenwachsen“, so Britta Möwes.

 

Ein Dank gilt der Sparkasse Münsterland Ost, die durch ihre finanzielle Unterstützung ermöglicht hat, diese Veranstaltung für alle anzubieten. Dank der freundlichen Unterstützung war es unter anderem möglich, eine FM Anlage für störungsfreies Hören sowie Schriftdolmetscher*innen einzusetzen und eine rollstuhlgerechte Besuchertoilette anzubieten.

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